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Privatoffenbarungen
Mit dem
"Kerngeschäft" von introibo.net hat das Thema "Privatoffenbarungen"
sicher nichts zu tun. Dennoch erreichen uns dazu regelmässig Fragen, die
teilweise auch recht "emotionsgeladen" sind. Wir wollen deshalb
versuchen, das Thema auf dieser Seite möglichst sachlich darzulegen:
I.
Was sind überhaupt "Offenbarungen"?
Quelle:
"Öffentliche Offenbarung und
Privatoffenbarungen - ihr theologischer Ort",
Joseph Ratzinger, theol. Kommentar zur Botschaft von Fatima (gekürzt)
Die Lehre der Kirche unterscheidet
zwischen der "öffentlichen Offenbarung" und den "Privatoffenbarungen".
Das Wort "öffentliche Offenbarung" bezeichnet das der ganzen Menschheit
zugedachte Offenbarungshandeln Gottes, das seinen Niederschlag in der
Bibel gefunden hat. Der Katechismus der Katholischen Kirche (KKK)
zitiert: "Seit er uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein Wort ist, hat
Gott uns kein anderes Wort zu geben. Er hat alles zumal in diesem einen
Worte gesprochen. Wer demnach jetzt noch ihn befragen oder von ihm
Visionen oder Offenbarungen haben wollte, der würde nicht bloß
unvernünftig handeln, sondern Gott geradezu beleidigen, weil er seine
Augen nicht einzig auf Christus richten würde, ohne jegliches Verlangen
nach anderen oder neuen Dingen" (KKK 65, Carm. 2,22).
II. Was sind
"Privatoffenbarungen"?
Privatoffenbarung ist die Bezeichnung
für eine Offenbarung einer der drei göttlichen Personen, Mariens, eines
Engels oder eines Heiligen an einen Menschen als Privatperson.
Betrachten wir aber weiter Auszüge von
Joseph Ratzinger im theol. Kommentar zur Fatimabotschaft:
Hören wir zunächst
den KKK: "Im Laufe der Jahrhunderte gab es sogenannte
"Privatoffenbarungen", von denen einige durch die kirchliche Autorität
anerkannt wurden... Sie sind nicht dazu da, die endgültige Offenbarung
Christi zu 'vervollkommnen'..., sondern sollen helfen, in einem
bestimmten Zeitalter tiefer aus ihr zu leben" (Nr. 67). Zweierlei wird
klar:
1. Die Autorität der
Privatoffenbarungen ist wesentlich unterschieden von der einen,
öffentlichen Offenbarung: Diese ist die Gewißheit, auf die ich mein
Leben baue und der ich im Sterben traue.
2. Die
Privatoffenbarung ist eine Hilfe zu diesem Glauben, und sie erweist sich
als glaubwürdig gerade dadurch, daß sie mich auf die eine, öffentliche
Offenbarung verweist.
III. Arten von
"Privatoffenbarungen"
Wer von der einen oder anderen
Privatoffenbarung hört wird sich schnell fragen, ob diese "echt" ist
oder "nicht echt". Was gibt es überhaupt für "Arten" dieser
Erscheinungen / Eingebungen etc.? Die Kirche unterscheidet:
- Echte Privatoffenbarungen, die
wirklich "von oben" kommen
- Einbildungen die "von innen" kommen
- Dinge, die "von unten" kommen, also
aus dem Bereich des "bösen Feindes"
IV. Erkennungsmerkmale
einer Privatoffenbarung "von oben"?
Der Maßstab für
Wahrheit und Wert einer Privatoffenbarung ist ihre Hinordnung auf
Christus selbst. Wenn sie uns von ihm wegführt, wenn sie sich
verselbständigt oder sich gar als eine andere und bessere Ordnung, als
wichtiger denn das Evangelium ausgibt, dann kommt sie sicher nicht vom
Heiligen Geist, der uns in das Evangelium hinein- und nicht aus ihm
herausführt.
("Öffentliche
Offenbarung und Privatoffenbarungen - ihr theologischer Ort",
Joseph Ratzinger)
Die Kirche stellt sich bei der Prüfung
einer Privatoffenbarung u.a. folgende Fragen:
- Ist die Privatoffenbarung vollständig
in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche?
- Wie ist der Empfänger psychisch,
physisch und religiös verfasst?
Nicht notwendig ist seine persönliche Heiligkeit, nicht einmal sein
Gnadenstand. Zwar sind schwere moralische Mängel des Subjektes eine
ungünstige Voraussetzung für die Anerkennung der Echtheit, wohl aber
Lügenhaftigkeit und Unbescheidenheit. Positiv gewertet wird ein
gewisser moralischer Heroismus, vor allem wird hier auf Demut,
Selbstbezwingung, Liebe zum Kreuz, Dienst am Mitmenschen,
Zurückhaltung, Besonnenheit und Würde gesehen.
(Joseph Schumacher "Theologie Heute", Kevelaer 1984)
- Welche Begleitumstände liegen vor?
Hiermit ist gemeint, welche Ziele aus der Privatoffenbarung zu erkennen
sind, ob Ort und Form würdig waren und auch zu welcher Zeit sie
stattfand.
- Wie verhält sich der Empfänger der Privatoffenbarung gegenüber der
Kirche?
Wichtige Indizien für die Qualität der “Offenbarungen” sieht man
auch in der Haltung des Visionärs gegenüber der Prüfung und dem
Urteil der kirchlichen Autorität. Verhält er sich etwa ablehnend
gegen jede Art von Prüfung und beharrt er eigensinnig auf seiner
Meinung, so wird darin ein sicheres Kennzeichen für Selbsttäuschung
gesehen.
(Joseph Schumacher "Theologie
Heute", Kevelaer 1984)
Der Heilige Pater Pio erhielt über
viele Jahre ein Verbot öffentlich zu zelebrieren und auch Beichte zu
hören. Dieser Entscheid seines Bischofs war schon damals für viele
nicht nachvollziehbar, aber Pater Pio hat sich daran gehalten und
sich den Anordnungen der kirchlichen Obirgkeit unterworfen, was ein
deutliches Indiz echter Heiligkeit ist.
- Sind die
Visionen auf das Reich Gottes ausgerichtet?
Gegen die Echtheit von Offenbarungen spricht , wenn darin die Vergebung
der Sünden behauptet wird, wenn Mitteilungen über den Gnadenstand
eines Lebenden oder eines Verstorbenen bzw. über dessen Verdammnis
gemacht werden, wenn der Name eines Schutzengels oder neue
Kenntnisse über das Leiden Christi oder weltliche Dinge mitgeteilt
werden, wie beispielsweise eine Krankheit, ein Prozeß, eine
wissenschaftliche Kontroverse oder eine politische Angelegenheit.
Das gilt deshalb, weil Visionen ihrer Natur nach auf das Reich
Gottes ausgerichtet sind und nicht der Neugier und der
innerweltlichen Sicherung des einzelnen dienen wollen.
(Joseph Schumacher
"Theologie Heute", Kevelaer 1984)
- Setzt der Empfänger die
Privatoffenbarung über die Lehre der Kirche?
Dies ist ein Punkt, der heutzutage bei vielen "Privatoffenbarungen"
festzustellen ist: Für den Empfänger sind seine Schauungen wichtiger
als die Lehre der Kirche, d.h. seine letzte Instanz ist nicht mehr -
wie es bei einem Katholiken sein sollte - die Offenbarung Christi
(also was in der Heiligen Schrift und im KKK steht) sondern die
Privatoffenbarung. In einem solchen Fall handelt es sich niemals um
Offenbarungen "von oben".
- Macht der Empfänger der
Privatoffenbarung diese aktiv bekannt?
Von den kirchlich anerkannten Privatoffenbarungen, insbesondere auch
von Lourdes und Fatima, wissen wir, dass die Empfänger die
Ereignisse nicht aktiv in die Öffentlichkeit trugen oder für ihre
Bekanntgabe durch Dritte sorgten. Vielmehr sprachen sie jeweils nur
ungern darüber und zogen sich meist in ein geistliches Leben - oft
im Kloster - zurück.
Der Heilige Pfarrer von Ars hat seine Marienerscheinungen derart für
sich behalten, dass aus Ars kein Marienwallfahrtsort wurde, sondern
ein Beispielort eines mustergültigen Pfarrers, was anscheinend dem
Willen der Vorsehung entsprach.
Bei den heute auftretenden Erscheinungen
gibt es kein abschliessendes Urteil der Kirche, da dies jeweils erst
nach Abschluss der Erscheinungen erfolgen kann. Deshalb kann der
einfache Katholik, der mit der Materie nicht so sehr vertraut ist, sich
- wenn ihn schon eine "Erscheinung" besonders interessiert - nur
möglichst detailliert dazu erkundigen und auch die Aussagen der
Geistlichkeit insbesondere des zuständigen Episkopats anschauen.
Schliesslich sollte er anhand der oben aufgezählten Punkte selbst
versuchen sich ein persönliches Urteil zu bilden, wobei gilt: Ist schon
EINE der o.g. Fragen zu Ungunsten der Empfänger zu beantworten, ist
allerhöchste Vorsicht anzuraten.
V. Erscheinungen "von
unten"
Man muss sich bewusst sein, dass der
Widersacher die Macht hat Wunder zu wirken und mit falschen
Offenbarungen die Gläubigen in die Irre zu führen. Beispiele gibt es
dazu in der Kirchengeschichte genügend. Grund genug also, bei allen
Erscheinungen, die nicht ausdrücklich von
der Kirche anerkannt sind, zunächst skeptisch zu sein.
Im 1. Johannesbrief
findet sich die ausdrückliche Mahnung: “Glaubet nicht jedem Geist ,
sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind” (41.). Und der Herr
selbst sagt (Matth. 24): "Denn es werden falsche Christusse und falsche
Propheten aufstehen und grosse Zeichen und Wunder wirken, so dass selbst
die Auserwählten in Irrtum geführt werden."
VI. Fazit
(Joseph Schumacher
"Theologie Heute", Kevelaer 1984)
Die Zurückhaltung der Kirche gegenüber Privatoffenbarungen ist eine
grundlegende Verpflichtung auch für den einzelnen Katholiken. Daher
sollen weder seine eigenen subjektiven Erlebnisse noch jene anderer für
ihn eine entscheidende Norm für sein geistliches Leben sein, vielmehr
soll er sich der öffentlichen Offenbarung unterwerfen und der Lehre und
der Leitung der Kirche anvertrauen. Wichtiger als die
Privatoffenbarungen sind das Evangelium und die Sakramente . Weil die
Gefahr der Selbsttäuschung hier groß ist, kann die subjektive Gewißheit
des Visionärs nicht an die Stelle einer eingehenden Prüfung gesetzt
werden. Zurückhaltung ist auch deswegen geboten, weil bei derartigen
Phänomenen nicht selten aufdringliche Propaganda und menschliches
Geltungsstreben mitspielen und weil ihnen die Tendenz zur Eskalation
immanent ist. Sie arten leicht aus zu einer Leidenschaft, speziell in
Zeiten des Umbruchs.
In der ganzen
Kirchengeschichte hat die Kirche nicht so viele falsche Offenbarungen
verwerfen müssen wie im 20. Jahrhundert. Der ungesunden Begierde nach
Offenbarungen liegt einerseits ein geschwächter Glaube zugrunde,
andererseits das Streben nach immer neuen Abwechslungen.
Das Heil liegt nicht in den außerordentlichen Dingen. Nicht die visionäre
Erleuchtung ist die Grundlage des christlichen Lebens, sondern der
Glaube an die der Kirche anvertraute öffentliche Offenbarung, das
depositum fidei.
Daher sind auch approbierte Privatoffenbarungen für die Gläubigen nicht
verpflichtend. Die Kirche könnte sie gar nicht verpflichtend machen,
selbst wenn sie es wollte, denn ihre Unfehlbarkeit bezieht sich nur auf
die Bewahrung und Interpretation der öffentlichen Offenbarung. Selbst
für den unmittelbaren Empfänger einer Offenbarung ist hinsichtlich ihrer
Echtheit oft nur schwerlich Gewißheit zu erreichen.
Möchte der einzelne persönlich von Privatoffenbarungen Gebrauch machen,
so ist er in jedem Fall als mittelbarer wie auch als unmittelbarer
Empfänger zu einer kritischen Prüfung verpflichtet. Auch bei
Wahrscheinlichkeit, wenn also vernünftige Gründe für die Echtheit
sprechen, aber eine eigentliche Gewißheit noch nicht besteht, kann er
sein Urteil so lange suspendieren, bis er zur völligen Gewißheit
gekommen ist.
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